Mehr Führung wagen?

Ursula von der Leyen zu Besuch im Körber-Forum

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An diesem Abend bot sich uns vor dem Körber-Forum am Kehrwieder in Hamburg ein anderes Bild als noch vor einer Woche, als wir uns einen Vortrag zur Seenotrettung im Mittelmeer anhörten: Rund ein Duzend Demonstranten postierten sich vor dem Eingang und protestierten – umgeben von Sicherheitskräften und der Polizei – für eine Verkleinerung des deutschen Militärs und eine passivere Haltung in der Sicherheitspolitik. Direkt dahinter parkten drei schwarze Limousinen mit Berliner Kennzeichen und hinter den verdunkelten Scheiben wartete der Gesprächsgast des heutigen Abends: Ursula von der Leyen (CDU), Bundesministerin der Verteidigung. Trotz des großen Interesses an der Veranstaltung hatten wir – Teile der Politikleistungskurse von Frau Dr. Puckhaber und Herrn Lentz aus dem Jahrgang 11, sowie der Politikleistungskurs von Frau Bartels aus dem Jahrgang 12 – noch einige Plätze reservieren können und hatten so die Möglichkeit, die Ministerin aus nächster Nähe zu erleben. Dr. Thomas Paulsen, Vorstandsmitglied der Körber-Stiftung, freute sich, Ursula von der Leyen bereits zum dritten Mal im Körber-Forum begrüßen zu dürfen, da sie vorher bereits als Familien- und Arbeitsministerin zu Gast war. Er betonte, dass die deutsche Sicherheitspolitik durch die zahlreichen Krisen in und um Europa uns selbst immer direkter betreffe und zitierte mit Blick auf die später folgende Diskussion den Stiftungsgründer Kurt Körber mit den Worten: „Wir sollten miteinander, nicht übereinander diskutieren.“

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Ursula von der Leyen lieferte in der anschließenden Rede einen Rundumriss um die deutsche Sicherheitspolitik, deren Aufgaben wie auch Schwierigkeiten. Mit der politischen und wirtschaftlichen Macht Deutschlands sei es unvermeidbar, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen und Engagement zu zeigen. Dabei gebe es aber einen Grundsatz: niemals allein, sondern immer gemeinsam mit Partnern, sei es die NATO, die Europäische Union oder die Vereinten Nationen. Die Ministerin sprach dabei von „Führung aus der Mitte“ und beantwortete somit die Leitfrage „Mehr Führung wagen?“ klar mit ja. Sicherheit und Stabilität zu schaffen sei aber nicht nur Aufgabe ihres Ministeriums, sondern müsse in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigem Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geschehen, da eine wirtschaftliche Perspektive für Stabilität essentiell sei. Gerade Afrika müsse mit den erheblichen sozialen Spannungen auf dem Kontinent ins Blickfeld europäischer Sicherheitspolitik geraten. In den aktuell schwelenden Konflikten mit Russland und dem sogenannten Islamischen Staat habe sich ein weiteres militärisches Einsatzgebiet herausgebildet: das Internet, über das massiv Propaganda und Desinformation betrieben und im Fall des IS auch als Rekrutierungsmaßnahme benutzt werde. Das Bundesministerium für Verteidigung wolle dem mit der Neuschaffung des militärischen Organisationsbereichs „Cyber- und Informationsraum“ entgegenwirken. Daran schließe sich eine weitere Herausforderung an die Bundeswehr an: durch den Wegfall der Wehrpflicht müsse man auf dem Arbeitsmarkt bei der Suche nach Fachkräften mit zivilen Unternehmen konkurrieren.

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In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum sah sich Ursula von der Leyen einer Fülle teils kritischer Fragen ausgesetzt. Ob man nicht die Sanktionen gegen Russland verschärfen solle, die Türkei in der NATO noch tragbar sei, wie in Bezug auf die Menschenrechtslage mit Saudi-Arabien umgegangen werde, ob die Peschmerga durch ihre Nähe zur PKK als zuverlässig gelten könne. Hier umging von der Leyen kritische Aspekte der Fragen, überging jene zu denen sie sich nicht äußern wollte und versuchte Fragen anders auszulegen, als sie eigentlich gemeint waren. Insgesamt war die Diskussion also wesentlich weniger informativ und erkenntnisreich als ihre Einstiegsrede.
Nichtsdestotrotz war es sehr beeindruckend, von der Leyens Redetalent und Rhetorikvermögen als Zuhörer zu erleben und lehrreich, die deutsche Sicherheitspolitik von der Bundesverteidigungsministerin erklärt zu bekommen.

Nils F., Jg.11